Bild und Ton

Tief in der Provinz: Mêlée Island

Eine zwielichtige Gestalt mit schwarzem Mantel und Papagei auf der Schulter verkaufte mir eine Karte. Für hundert Goldstücke. Mit Hilfe dieses vergilbten, abgegriffenen Leinenfetzens machte ich eine der spektakulärsten Entdeckungen der Videospielgeschichte: Mêlée Island liegt nicht – wie bisher irrtümlicherweise angenommen – tief im Herzen der Karibik, sondern tief in der Provinz. Nämlich: In meiner Heimatstadt! Beinahe vor der Haustür!!

Zugegeben, das war fast komplett gelogen, aber Mêlée Island hat es trotzdem bis in die Provinz geschafft. Und zwar riesengroß, als Wandbild. Das geschah, weil zwei Freunde von mir, namentlich Raimo Siegert von der Mobilen Jugendarbeit (dem großes Lob für die Idee und das Konzept der Arbeit gebührt) und Sebastian Bieler, vom 22. Juli bis 16. August den „Graffiti-Sommer 2013“ als Ferienprojekt für Kinder und Jugendliche veranstalteten. Die Kids von der Straße holen, ihr wisst Bescheid.

Insgesamt nahmen ca. 60 junge Menschen das Angebot wahr, wer will kann sich über diesen Link weitere Ergebnisse der Aktion ansehen. Am Mêlée-Island-Wandbild arbeitete man zu neunt, Altersgruppe von 9 bis 15 Jahren. Super Idee, sehr schön umgesetzt. Piraten, Sommer, Sonne, Kinder, Kunst, Computer- und Videospiele. Passt doch alles, keine Ahnung, warum Corinna Harfouch hier alles so scheiße fand.

Die folgenden Fotos dokumentieren die Entstehung des Kunstwerks, abgerundet von einem Vergleichsbild: Oben das VGA-Original von 1990 in seiner ganzen Pracht, in der Mitte ein Screenshot der neu aufgelegten Special Edition von 2009 und ganz unten gemeinschaftlich handgefertigte Straßenkunst von 2013. Alles per Klick vergrößerbar, wie gewohnt.






Kleiner Piratenservice zum Schluss: Augenklappe zurechtrücken, Grog erhitzen (nicht kochen!), auf Play drücken und das großartige Monkey-Island-Theme einfahren:

Und weil das alles viel mehr Sinn macht, wenn man diese Musik zu den Bildern hat, lest ihr den Artikel jetzt nochmal von vorn. Mit Sound*. Ich bin so gut zu euch.

*Wer mag, kann sich auch die originale PC-Speaker Version des Themes geben, aber das ist eher was für … nunja … unerschütterliche Retro-Hardliner.

Jahrgang ’77. Ehemann. Vater. Nochmal Vater. Hortet unfassbar viele Spiele in einem Raum voller Chaos und nennt diesen Zustand liebevoll Sammlung. Mag Bücher und Fußball und Boxen und Videospiele in Schachteln. // twitter.com/bluntman3000

4 Comments

  • pseudorapunzel

    Super Idee und großartige Durchführung;
    Die Jungs u Mädels gaben der sowieso schon (im wahrsten Sinne des Wortes) schrägen Szenerie ja noch einen perspektivisch-unlogischen „Expressionismus“-Twist mit dazu! Herrlich-schräg, das Ganze…

    Auf den ersten Blick hätte ich auf Wandmalerei getippt; Daß die Sache gesprüht ist, ringt mir jedoch ebenso höchsten Respekt ab (die Schablonen für unseren Helden zu Basteln, ist nämlich gewiss nicht ganz „Ohne“!). Das letzte „Finish“ wurde aber mit Pinseln hinzugefügt, nehm ich mal an (siehe z.B. der Duktus am „sidewalk“)

  • Raimo

    Hi,
    um die Schablonen für Guybrush herzustellen, war zwar auch eine ganze Reihe von Arbeitschritten nötig, aber keineswegs kompliziert. Da wir so etwas bereits oft mit Kindern und Jugendlichen gemacht hatten, war hier schon Übung drin.
    Was im künstlerischen Zusammenhang ein „Duktus“ ist, weiß ich leider nicht, sonst würd ich gern was dazu sagen. Jedenfalls wurde das Bild nicht mit Pinsel gemalt, sondern tatsächlich mit Dose. Für die ein oder andere Übung dabei gibt es Kniffe, Pinsel waren jedoch nicht im Einsatz.
    Wenn ich wüsste, was – Duktus am “sidewalk” – meint, könnt ih noch eher was dazu sagen…

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